Ralf Wagner
[20.10. 07]
Wahnsinn auf Rädern
Arbeiten für
die Bahn ist wahrscheinlich gefährlicher als gedacht. Im Moment
scheint es, als komme bei dieser Beschäftigung der gesunde
Menschenverstand schrittweise abhanden.
Angefangen hat es bei den Eigentümern und beim Vorstand. Während
derzeit die drastische Kritik an den Netzmonopolen der
Energiekonzerne wohl kaum zu überhören und zu überlesen sind
und erwogen wird, Netz und Stromerzeugung notfalls zwangsweise zu
trennen, sind Bund und Bahn gerade dabei, Netz und Betrieb
gemeinsam zu privatisieren. Und obwohl sich auch hier die
negativen Konsequenzen für die Kunden bereits abzeichnen und die
Kritik vom BDI bis zu kommunalen Bürgerinitiativen reicht,
findet sich offensichtlich niemand im politischen Getriebe, der
diesen irrsinnigen Selbstläufer aufhalten kann oder will.
Doch im Moment liegen die Lockführer der GdL in Sachen Nonsens
vorn. Sie streiken um einen eigenständigen Tarifvertrag
und damit eigentlich nicht gegen die Bahn sondern gegen ihrer
Schwestergewerkschaften. Es mag zwar sein, daß in
Gewerkschaftskreisen das Wort Leistungsträger als
neoliberaler Kampfbegriff verschrieen ist, doch dann sollte die
GdL dort die Auseinandersetzung suchen. Oder wozu gibt es den
DGB, den Bund der Gewerkschaften?
Zudem verbessern die Lokführer ihre Position nicht dadurch, daß
sie in einem Anfall von Größenwahn ihre Arbeit mit der von
Piloten gleichsetzen, nur weil der ICE ein wenig futuristisch
aussehen mag. Flugzeuge auf Rädern - dieser Virus
grassiert beider Bahn offenbar seit Mehdorns Amtsantritt und dem
gescheiterten Preissystem nach dem Vorbild der Flugreservierung.
Vielmehr eignen sich Busfahrer als Vergleich. Doch beim Blick auf
deren Arbeits- und Einkommensbedingungen würde es den Lockführern
wohl die Schamröte ins Gesicht treiben. Vor allzu engem Kontakt
mit dieser Realität werden die Bahner allerdings geschützt:
durch die Überlandverordnung aus dem Jahr 1931, welche auf den
meisten Strecken Parallelverkehr und damit Wettbewerb verbietet.
Dabei wäre gerade dieser Wettbewerb wohl die einzig wirkende
Arznei gegen den derzeitigen Wahnsinn auf Rädern. Es wäre eine
Schocktherapie, denn die Bahn müßte plötzlich um Ihre
Stammkunden kämpfen, schlimmstenfalls mit niedrigen
Preisen, abgestimmten Fahrplänen, Pünktlichkeit, Service und
Kulanz.
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