Ralf Wagner  
   
  Der gute Tausch?
  Zu :Der gute Tausch. Gerade Deutschland braucht den Euro. Von Theo Sommer, in DIE ZEIT Nr. 9/98
   
 

Welch ein Tiefschlag für DIE ZEIT! Während in fast allen anderen Zeitungen darüber nachgedacht wird, wie die Folgen einer überstürzten Währungsunion möglichst gering gehalten werden könnne, titelt meine alte Wochenzeitung "Der gute Tausch. Gerade Deutschland braucht den Euro." Und was man dann lesen kann, erscheint eher wie ein Nachdruck aus dem "Journal für Deutschland", dem publizistischen Meisterwerk des Bundespresseamtes.

Ignoriert man mal den üblichen Verweis der Euro-Kritiker in die Ecker der Nörgler und Verlierer, verschlägt es spätestens dann den Atem, wenn Theo Sommer den schlagenden Beweis antritt, daß die Währungsunion auch ohne weitergehende Einigung funktionieren wird: "Belgien und Luxemburg haben seit Jahrzehnten eine Währungsunion - auch ohne politische Union." Na, wenn das nicht überzeugt! Immerhin sind es ja 378 000 Luxemburger, die ihre Währung an den Belgischen Franc gekoppelt haben. Das wiegt doch um einiges schwerer, als allein auf die "erfolgreichen Währungsunionen" der Monegassen , der Vatikanstädter, der St.Marinesen oder der Bewohner von Andorra und Liechtenstein zu verweisen. Mithin: Das Beispiel ist einfach albern.

Nicht mehr zum Lachen ist der Verweis auf die Stabilitätserfolge, die der Euro bereits durch seine Vorbereitung für die möglichen Teilnehmer gebracht habe. Man mag sich freuen, daß es weder in Deutschland noch in Frankreich oder Italien eine nennenswerte Inflation gibt. Den Preis dafür darf man allerdings auch nicht verschweigen: Eine einzig auf die Währungsunion gerichtete Sparpolitik der öffentlichen Haushalte und einer Geldpolitik, die nicht nur der US-Notenbankpräsident als eher deflationär bezeichnet, bescherte den euroentausiastischen Ländern wirtschaftliche Stagnation und, viel schlimmer noch, eine scheinbar außer Kontrolle geratenen Arbeitslosigkeit. Es sollte doch nun mittlerweile auch dem letzten aufgefallen sein , daß die Arbeitslosigkeit keineswegs eine "Geißel der Menschheit" ist, wie Roman Herzog es formulierte, sondern vorzugsweise die in altem Denken und starren Visionen ihrer politischen Klasse verfallene "Kerneuropäer" befallen hat. Und daß der Euro, der den Wettbewerb innerhalb Europas verschärfen wird, ohne zusätzliche Nachfrage zu einem Beschäftigungswachstum führen wird, ist so sicher wie Kohls Visionen von blühenden Landschaften in Deutschlands Osten oder einer Halbierung der Arbeitslosigkeit ansich.

"Altes Denken" legt Theo Sommer auch an den Tag, wenn er dann die Gespenster an die Wand malt, die Deutschland ereilen, käme der Euro nicht. Die D-Mark würde aufgewertet. Nach dem Kursverfall des letzten Jahres hätte das nicht nur Nachteile. Außerdem: Ein Land, daß ständig Exportüberschüsse realisiert und dabei die Binnennachfrage vernachlässigt, muß letztlich damit rechnen, daß die eigenen Währung aufgewertet wird - letztendlich zum eignen Schutz.

Ganz und gar unsinnig ist es auch, den Euro gegen den US-Dollar profilieren zu wollen. Entweder führt man eine Weltwährung ein (oder den Dollar), dann gibt es in der Tat keine Wechselkurs-Risiken mehr, oder man muß mit ihnen leben. Auch der Euro wird einen Wechselkurs zum Dollar haben, schwanken wird dieser auch und manipulierbar wird er ebenso sein - insbesondere dann, wenn mangels einer politischen Union schlußendlich die Geldpolitik de facto den Banken überlassen werden muß. Das aktuelle Beispiel hierfür findet gerade in Südostasien statt.

Nun, aber alles läßt sich noch steigern. Ignorantia non est argumentum möchte man Herrn Sommer entgegenhalten, wenn er abschließend versucht, die Tatsache, daß fast alle Deutschen mit der Einführung des Euro rechnen, als Zustimmung für die Währungsunion umzuinterpretieren. Das ist schlichtweg Volksverdummung.

Sicher, in den Umfragen rechnen mehr 90 Prozent damit, daß der Euro im nächsten Jahr kommt - allerdings keineswegs deshalb, weil sie es wollen. Im Gegenteil. Es verfestigt sich die Erfahrung, daß der Euro gegen jeden Einwand, gegen die von seinen "Schöpfern" selbst erfundenen Konvergenzkriterien - nicht nur die berühmten 3,0 Prozent - und vor allem gegen den Willen der Mehrheit nicht nur der Deutschen durchgedrückt wird. Darin kann man wohl kaum etwas Begrüßenswertes erkennen, insbesondere dann nicht, wenn einem an einem demokratischen und auf allgemeiner Akzeptanz beruhenden europäischen Einigungsprozesses gelegen ist. Der Euro wird zum Pyrrhussieg, der sich durch die Ignoranz seiner Probleme und der damit verbundenen Unfähigkeit, diese dann auch lösen zu können, nicht nur gegen seine "Durchpeitscher" (was wohl nichts anderes als gerecht ist) sondern leider auch gegen die europäische Einigung wenden wird.

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