Ralf Wagner
[24.2. 2004]

Aboslut nicht konkurrenzfähig: Frank Bsirske erklärt die Wirtschaft
zu Matthias Loke im Gespräch mit Frank Bsirske: „Absolut konkurrenzfähig“ Berliner Zeitung Berliner Zeitung vom 21.2. 04

Wen fragt man, wenn man wissen will, wie konkurrenzfähig die Arbeitsplätze in Deutschland sind? Eigentlich jemanden, der sich damit auskennt. Aber die Berliner Zeitung fragt den Chef der Gewerkschafter der öffentlichen und anderen Dienstleistungen, Frank Bsirske. Und lässt ihn gewähren. Wenn ein Arzt in einem Interview behaupten würde, dass exzessiver Alkoholmissbrauch und Leberzirrhose nichts miteinander zu tun hätten, würde das wohl keine Zeitung drucken. Wenn Herr Bsirske aber bestreitet, dass hohe Lohnkosten Jobs vernichten, wird das ebenso wenig hinterfragt wie seine „schlagenden“ Beweise. Deutschland sei ja schließlich bei den Lohnstückkosten konkurrenzfähig und außerdem Exportweltmeister. Doch das ist plumper Populismus.

Lohnstückkosten sind das Verhältnis von Arbeitskosten zu Produktivität. Wenn man zum Beispiel annimmt dass Deutschland zwar doppelte so hohe Arbeitskoten wie Polen hat aber eben auch eine angenommen doppelt so hohe Produktivität, dann ergeben 2:2 und 1:1 in der Tat die gleichen Lohnstückkosten. Alle so in Deutschland hergestellten Güter sind daher durchaus wettbewerbsfähig. Was aber ist mit all den Jobs mit geringerer Produktivität? Wenn sich deren Arbeitskosten an denen der hochproduktiven orientieren – und das müssen sie schon durch die Lebenshaltungskosten – dann wird es sie in Deutschland nicht mehr geben. 2:1 ist dann eben zu teuer. Die hohen deutschen Arbeitskosten sind ein schleichender Jobkiller für alle wenig qualifizierten Jobs. Schwarzarbeit und Abdrängung ganzer Bevölkerungsteile in ein Leben in Sozialhilfe sind die Folge.

Ebenso ist die hohe Produktivität in Deutschland nicht allein das Verdienst der Arbeitnehmer sondern oft auch der Kapitalausstattung. Und die verbessert sich nicht nur in Polen derzeit rasant und damit das Verhältnis bei den Lohnstückkosten von 1:1 in Richtung 1:2. Die Auslagerung vieler Arbeitsplätze ist so schon heute unübersehbar – außer vielleicht aus der Chefetage der Gewerkschaft ver.di. Ansonsten wäre Herrn Bsirske auch aufgefallen, dass der schöne deutsche Exporterfolg immer mehr das Ergebnis der Ausfuhr solcher Güter ist, deren Wertschöpfung heute schon großenteils im Ausland stattfindet und die als Vorprodukte importiert werden und denen vielleicht irgendwann hierzulande nur noch der Stern auf den Kühler gesetzt wird.

Bestechend auch die Logik der anderen Aussagen des Top-Gewerkschafters. Um die Transfereinkommen eines immer größeren Anteils an der Bevölkerung zu sichern, müssen die Sozialbeiträge – ohnehin schon die höchsten der Welt – immer weiter „moderat“ erhöht werden. Das senkt zwar die realen Nettoeinkommen und fördert keineswegs die anvisierte Binnennachfrage (außer Oma unterstützt mit der Rente arbeitendes Kind) aber es soll die so gebeutelten wohl auch wieder um die Gewerkschaften scharen, um höhere Sozialbeiträge in höhere Lohnforderungen umzusetzten. Insbesondere in dem von ver.di bearbeiteten Öffentlichen Dienst ein Teufelskreis. Und so sorgt sich Herr Bsirske auch gleich um die Sicherung der Staatseinnahmen und – wie neu – notfalls mit noch mehr Schulden. Zurückzuzahlen von immer weniger Arbeitnehmern in der Zukunft, die gleichzeitig auch noch weiter steigende Renten- und Pensionsansprüche bedienen und mit ihrer Nachfrage die Wirtschaft am Laufen halten sollen.

Wer daran glaubt, glaubt alles. Dass Herr Bsirske es glaubt, ist auch kaum zu glauben. Ein paar mehr Nachfragen hätten es vielleicht gezeigt.

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