Ralf Wagner
[10.4. 06]
Auch die demographische Lücke
werden andere schließen...
zu Lehrplan fürs Leben von Martin Spiewak, Die Zeit 15/06
Diesmal hat es
in der Tat ein wenig gedauert , bis sich die Reihen der realitätsverweigernden
Gutmenschen zum medialen Gegenschlag wieder gefestigt haben. Aber
wie üblich beginnt dieser dann damit: Anderswo (Frankreich, USA)
ist ja noch viel, viel schlimmer! Und ganz scheinheilig fragt
Herr Spiewak dann weiter: Warum hat das niemand verhindert?
Weil es zwar jeder gewußt aber nicht ausgesprochen und schon gar
nicht geschrieben hat! Eine Darstellung wie die im Brief der
Lehrer der Rütlischule wäre noch vor kurzem der politisch
korrekten Inquisition zum Opfer gefallen. Und die Autoren gleich
mit. Aber Heilung ohne Offenheit und Wahrheit gibt es eben nicht.
Wenn daher Herr Spiewak die Verbohrtheit beklagt, mit
der die Einwanderungsgesellschaft abgelehnt würde, dann muß er
aber bitteschön auch zur Kenntnis nehmen, daß diese seit
nunmehr mindestes drei Jahrezehnten vor allem eine Einwanderung
in die Sozialsysteme ist. Bildungsferne, sozial schwache Bevölkerungsschichten
sind nicht hier entstanden sondern eingewandert und haben sich
hier reprodoziert. Und darauf, daß sich Einwanderer aus
verschiedenen Ländern ganz unterschiedlich integrieren, wird am
besten gar nicht eingegangen, weil man auch hier eine
Ursachendiskussion verhindern will.
Doch wer so herangeht, wird auch keine vernünftigen Lösungen
entwickeln können. So hat es in Berlin ja durchaus bilinguale
Schulen (Deutsch und Türkisch) gegeben mit dem Ergebnis,
daß deren Absolventen weder die eine noch die andere Sprache
richtig beherrschten. Deshalb werden auch türkisch und arabisch
sprechende Lehrkräfte das Problem nicht lösen sondern eher
verstärken, da sie den Schülern das Verweigern der deutschen
Sprache weiter erleichtern. Auch die Erwartung, in der Real- oder
Gesamtschule zögen im Unterschied zur Hauptschule die
Leistungsstarken die Schwächeren mit, folgt eher den
Irrpfaden der Pädagogik der siebziger Jahr als der Realität, in
welcher Lernunwillige das Lernen der anderen gänzlich verhindern
egal in welcher Schulform.
Sie zeigt auch den Unwillen gegenüber Leistungsanreizen und
Leistungsdifferenzierung überhaupt. Der enorme Aufwand, den wir
für Bildungsverweigerer vorsehen,ist ein Schlag ins Gesicht
aller derer, die sich selbst anstrengen und trotz widriger
Bedingungen alle Bildungsmöglichkeiten nutzen. Es gibt sie und
vor allem sie müssen wir unterstützen, belohnen und leider ggf.
auch beschützen. Allen anderen müssen wir vor allem die
Konsequenzen verdeutlichen - doch die sehen ganz anderes aus als
Herr Spiewak das glauben machen möchte.
Ganz sicher werden der Wirtschaft in wenigen Jahren Schulabgänger
fehlen. Millionen von Jugendlichen in Osteuropa aber haben das
bereits begriffen, in Indien und China auch. Sie lernen eifrig,
ja begierig und unter materiell weitaus unkomfortableren
Bedingungen als die sogenannten Unterschichten bei uns. Sie
lernen aus eigenem Antrieb und sie lernen die deutsch Sprache.
Wenn sie künftig ihre Chancen nutzen und die hiesige
demographische Lücke füllen werden, dann werden sie ganz sicher
nicht dazu bereit sein, einen großen Teil ihrer Einkommen für
die zu verwenden, welche heute zu solchen Anstrengungen nicht
bereit sind. Das ist auch multikulturell, aber irgendwie sehr
viel gerechter.
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