Ralf Wagner

zu:
Frederick Forsyths offenen Brief an Helmut Kohl "Die D-Mark behalten"
(
Der Spiegel 14/97)

 

Man kann jeden Satz unterschreiben, den Frederick Forsyth im jüngsten SPIEGEL an den Kanzler richtet. Es gibt auch kaum etwas hinzuzufügen. Und wenn Karl Otto Pöhl recht hat, das sechszig Prozent der Deutschen gegen den Euro sind und vierzig Prozent nicht dafür, dann sollte dieser Brief doch breite Zustimmung erfahren.

Dem wird aber wohl nicht so sein. Ursache hierfür ist eine große Koalition aus Spitzenpolitikern aller Parteien, Journalisten und Bankern, für die der Euro zur Ideologie verkommen ist und die schon die leiseste Nachfrage, ob er den wirklich mehr Arbeitsplätze bringe (wie denn?) oder warum es denn ohne den Euro nicht auch ginge (schließlich denkt man in NAFTA und ASEAN nicht im Traum an solche Torturen), als pure Blasphemie und Sünde wider den europäischen Geist abbügeln und damit die Verantwortung dafür tragen, daß es eine wirkliche Diskussion über die Währungsunion nicht gibt.

Angeführt wird diese Allianz von einem Kanzler, der über sein letztes Projekt noch

weniger zu reden bereit ist als über die vorangegangenen, vielleicht, weil das geschichtsbuchträchtige Ziel so nah ist und die Folgen ziemlich sicher nicht mehr in seiner Verwantwortung fallen werden. Mit im Bunde ist allerdings auch die toskana- und anderweitig -erfahrene und -verwöhnte Elite der SPD, jene doppelnamigen Europa-Enthusiasten und Enthusiastinnen , die sich jenseits aller Einkommensbarrieren beim Meilensammeln über den europäischen Hauptstädten eben auch meilenweit über die Alltagserfahrungen ihres angestammten Klientels erhoben haben. Dabei fühlen sie sich sicher jenen europhilen Grünen verbunden, die die Einheitswährung aus Furcht vor dem eigenen Volk wohl als dessen endgültige Bezähmung wähnen.

Und weil das so ist, wird Ulrich Wickert das eine um das andere Mal in den Tagesthemen trotzig feststellen: "Der Euro kommt!" , was wohl heißen soll: Er kommt - ob Ihr das wollt oder nicht. Wir müssen Euch nur ein bißchen mehr aufklären.

Daß aber das bornierte Zusteuern auf die Maastricht-Kriterien schon heute zu

konzeptionslosem Sparen (ansonsten gäbe es gegen Sparen nichts einzuwenden) bis hin Sozialhilfeempfängern und wachsenden Abgaben führt, was wiederum Unternehmen und Haushalte in Bedrängnis bringt, ist, wie der Kanzler zu sagen pflegt, evident. Unter sinnlosem Zeitdruck und mit ebenso wenig durchdachten Vorgaben (was unterscheidet denn nun 3,1% von 3,0%, wo man offensichtlich überhaupt nicht genau weiß, wieviel Schulden dieses Land gemacht hat) kann man sich nicht fit für den Euro-Sparen. Diese Flickschusterei wird genau das Gegenteil bewirken. Deutschland wird in einer Wachstumsschwäche belassen (ohne den Export wäre es ein Desater). Hingegen gelingt es in Ländern wie Großbritannien oder Dänemark, die den Euro nicht zum Götzen erhoben und sich auf die eigentlichen Ziele einer Wirtschaftspolitik besonnen haben, bessere wirtschaftliche und fiskalische Daten zu erzielen - und mit den Konvergenzkriterien haben sie dann auch weit weniger Probleme.

Forsyth sei Dank dafür, möglicherweise doch noch einmal eine Diskussion über Sinn oder Unsinn der Währungsunion angestoßen zu haben. Kommt eine solche nicht zustande, und gewännen die Menschen den Eindruck, daß sie letztlich auf solche gravierenden Entscheidungen wie den Euro ebenso wenig Einfluß haben wie auf das Wetter, dann wäre das neben wachsender Politikerverdrossenheit für die Zukunft des europäischen Gedankens letztlich noch viel verheerender, als es ein weicher Euro mit seien Folgen ohnehin schon sein wird.

April 1997

eMail | Fenster schließen